Rechtsanwalt Weller

Haftbedingungen in der Untersuchungshaft

 

Eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Untersuchungshäftlingen auferlegten Haftbedingungen zu bewirken, gehört zuweilen zu unserem Arbeitsalltag. Das Haftstatut, das mit einem Haftbefehl festgelegt wird, enthält als sog. haftgrundbezogene Beschränkungen (§ 119 Abs. 1 StPO) bspw. bei mehrere in derselben Sache inhaftierten Beschuldigten nahezu standardmäßig eine Trennungsanordnung und die Anordnung der Überwachung jeglicher Kommunikation. Wenn aber jedes Telefonat insbesondere auch mit Angehörigen zu überwachen ist, bestehen schon kapazitätsbedingt – jedes Mal müsste jemand des LKA, der Steuerfahndung o.ä. mithören – nur sehr begrenzte zeitliche Möglichkeiten hierzu. In Fällen der Schwerkriminalität wird mit der Begründung des Tatverdachts auch recht unproblematisch die Anordnung von „Isolationshaft“ begründet, d.h. insbesondere keine gemeinsame Unterbringung, keine Teilnahme an Um- oder Aufschluss und lediglich isoliert zu verbringender Hofgang.

Führt man sich vor Augen, dass schon die Untersuchungshaft selbst (nur) eine verfahrenssichernde Maßnahme ist, bedürfen die zusätzlichen Beschränkungen daher – jedenfalls aus Sicht von Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern – nicht selten einer Aufhebung, Anpassung und damit der gerichtlichen Überprüfung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat regelmäßig und auch in jüngerer Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 15.11.2022 – 2 BvR 1139/22) festgehalten, dass Gerichte „stets prüfen [müssen], ob für das Vorliegen einer solchen Gefahr im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte bestehen und die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener seine Freiheiten missbraucht, […] bei einer den Grundrechten Rechnung tragenden Auslegung des § 119 I StPO nicht aus[reicht], um Beschränkungen anzuordnen.“

Auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschäftigt die Möglichkeit, die auferlegten Haftbedingungen gerichtlich überprüfen zu lassen, immer wieder. Am 04.06.2024 hat der EGMR in einem gegen Deutschland geführten Verfahren geurteilt, dass die fehlende Überprüfung seiner Haftbedingungen aufgrund widersprüchlicher behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen einen Häftling in seinem Recht auf ein faires Verfahren, Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verletzt. Nach dem EGMR ist es für den Betroffenen in dem Fall aufgrund mehrfacher Verlegungen unmöglich gewesen, das für die Überprüfung der Haftbedingungen zuständige Gericht zu bestimmen oder hinreichend konkrete Anträge zu formulieren. Dies verwehre ihm den nach gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Zugang zum Recht.

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