Internationale Strafverfolgung und Rechtshilfe
Die grenzüberschreitende Strafverfolgung gewinnt im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Insbesondere im Bereich organisierte Kriminalität, Terrorismus, Cyberkriminalität und Geldwäsche wird häufig international agiert. Dementsprechend greifen auch die Strafverfolgungsbehörden auf grenzüberschreitende Ermittlungs- und Vollstreckungsmaßnahmen und internationale Zusammenarbeiten zurück.
Zu den zentralen Instrumenten im europäischen Rechtshilfeverkehr zählt der Europäische Haftbefehl (EuHb), der seit 2004 die schnelle Festnahme und Überstellung von Personen zwischen den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht. Auch nach zwei Jahrzehnten und verschiedener Gerichtsurteile hierzu – bspw. hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 infolge einer von Rechtsanwältin Gül Pinar geführten erfolgreichen Verfassungsbeschwerde das damalige Europäische Haftbefehlsgesetz wegen eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Art. 16 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG für nichtig erklärt – bestehen hierzu immernoch rechtliche Unklarheiten. 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) infolge eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV, dass die deutsche Staatsanwaltschaft nicht die Anforderungen einer unabhängigen Justizbehörde gemäß Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zum EuHb erfüllt. Grund war, dass sie potenziell Weisungen durch die Exekutive unterliegen. Daher dürfen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland derzeit keine Europäischen Haftbefehle ausstellen – dies obliegt allein unabhängigen Justizbehörden. Das Thema ist aktuell immer noch Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion; im Jahr 2024 hat das Bundesjustizministerium einen Entwurf für ein Reformgesetz zum IRG vorgelegt.
Mit der im Jahr 2024 verabschiedeten E-Evidence-Verordnung wurde durch die Europäische Union ein neues Rechtsinstrument für eine effizientere grenzüberschreitende Beweiserhebung im digitalen Raum geschaffen. Hierdurch wird den Strafverfolgungsbehörden der Zugriff auf digitale Beweismittel direkt bei den Dienstanbietern erleichtert. Eine Einbindung des Vollstreckungsmitgliedstaats soll nur ausnahmsweise bei Weigerung des Dienstanbieters, die Daten herauszugeben, erfolgen. Problematisch ist hierbei insbesondere, dass private Dienstanbieter oft nicht in der Lage sind, die Rechtmäßigkeit von derart grundrechtsrelevanten Anordnungen zu überprüfen. Die E-Evidence-Verordnung ist deshalb – zu recht – hochumstritten. Die Regelungen der Verordnung führen zum Verlust von Betroffenenrechten und verschärfen die Problematik der Vorratsdatenspeicherung. Es bestehen darüber hinaus erhebliche Bedenken hinsichtlich mangelnder gerichtlicher Kontrolle aufgrund des Fehlens eines Richtervorbehalts, fehlendem Grundrechtsschutz für Betroffene und ungenügende Rechtsschutzmöglichkeiten.
Die grenzüberschreitende Abschöpfung von Vermögenswerten zielt darauf ab, Gewinne aus organisierter und wirtschaftlich motivierter Kriminalität – auch aus dem Ausland – einzuziehen. Dabei geht es nicht nur um klassische Fälle der Geldwäsche oder Drogenkriminalität, sondern zunehmend auch um Cybercrime, Korruption oder Betrug, wobei erhebliche Vermögenswerte – etwa in Form von Kryptowerten – über digitale Kanäle transferiert werden.
Mit der Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten verfolgt die Europäische Union das Ziel, die bislang stark fragmentierten Regelungen zur Vermögensabschöpfung in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Zentrale Inhalte sind die Einführung einheitlicher Standards für die Einziehung, Sicherstellung und Verwaltung von Vermögenswerten. Der Begriff der Vermögensgegenstände ist gem. Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie weit gefasst; insbesondere mit Blick auf Kryptowerte sind auch solche Vermögensgegenstände einbezogen, die umgewandelt und übertragen werden können, um ihre Herkunft zu verschleiern. Gem. Art 13 der Richtlinie ist außerdem auch die Einziehung bei einem Dritten, an den die Erträge oder Vermögensgegenstände direkt oder indirekt von der verdächtigen oder beschuldigten Person übertragen worden sind, möglich. Die Richtlinie muss bis November 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.
Auch insoweit begegnet die so beabsichtigte Effektivierung der Vermögensabschöpfung erheblichen rechtlichen Bedenken: In vielen Fällen fehlt ein effektives Verfahren zur Überprüfung der Sicherstellungsmaßnahmen. Oft sind solche intransparent, erfolgen ohne Anhörung der Betroffenen und bieten nur eingeschränkten Rechtsschutz. Die Gefahr von Eingriffen in Eigentumsrechte unbeteiligter Dritter – z. B. Familienangehörige oder Geschäftspartner – ist hoch, da die Trennung zwischen legalem und illegalem Vermögen häufig schwer zu ziehen ist. Darüberhinaus werden unterschiedliche Auslegungen und Verfahren in den Mitgliedstaaten bestehen bleiben; dies betrifft etwa die Anforderungen an den Anfangsverdacht oder die (verhältnismäßige) Dauer einer Arrestanordnung.
