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Insolvenzverschleppung

 

1. Was ist Insolvenzverschleppung?

Insolvenzverschleppung bezeichnet die verspätete oder unterlassene Meldung der Insolvenz eines Unternehmens bei Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, was in Deutschland strafbar ist. Die Geschäftsführung oder die zuständigen Organe (z.B. Vorstand, Geschäftsführer) haben die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald sie von der finanziellen Schieflage wissen. 

2. Gesetzliche Grundlagen & Strafbarkeit

Das größte strafrechtliche Risiko bei der Abwicklung oder Stilllegung eines Unternehmens liegt deshalb in der Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Diese Pflicht ist heute klar in § 15a Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Danach müssen Geschäftsführer, Vorstände und andere vertretungsberechtigte Organe von Kapitalgesellschaften spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Wird dieser Zeitraum überschritten, drohen strafrechtliche Konsequenzen – einschließlich Freiheits- (bis zu drei Jahren) oder Geldstrafe. Hierbei ist auch zu beachten, dass auch ein nicht richtig gestellter Eröffnungsantrag eine Strafbarkeit mit sich bringen kann.

Für Geschäftsführer bedeutet das: Eine rechtzeitige und sorgfältige Prüfung der wirtschaftlichen Lage ist unerlässlich. Denn die Zahlungsunfähigkeit liegt bereits vor, wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Überschuldung ist gegeben, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt – es sei denn, es besteht eine positive Fortführungsprognose, also realistische Aussicht auf wirtschaftliche Erholung.

Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten oder bei drohender Zahlungsstockung ist die Insolvenzverschleppung ein zentraler strafrechtlicher Risikofaktor. Die Pflicht zur Antragstellung ist damit nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine betriebswirtschaftlich hochrelevante Verantwortung. In Verbingung mit der Insolvenzverschleppung gehen oft noch andere Straftatbestände, wie der Bankrott (§ 283 StGB), die Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) und der Betrug (§ 263 StGB) einher. Bei kritischen Lagen sollte somit umgehend anwaltliche Unterstützung aufgesucht werden. 

3. Wann liegt eine Insolvenzreife vor?

Gesetzlich liegt die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sobald ein Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, wird gesetzlich eine Zahlungsunfähigkeit vermutet (Abs. 2 S. 2)

Die Überschuldung ist nach § 19 Abs. 2InsO gegeben, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt – es sei denn, es besteht eine positive Fortführungsprognose, also realistische Aussicht auf wirtschaftliche Erholung.

4. Frühwarnzeichen für eine drohende Insolvenz können sein:

a)  Zahlungs- und Liquiditätsprobleme:

  • Zahlungsziele werden regelmäßig überschritten.
  • Es werden längere Zahlungsfristen erbeten.
  • Skonti werden seltener oder gar nicht mehr genutzt.
  • Ratenzahlung zur Tilgung offener Forderungen wird angefragt.
  • Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten steigen trotz gleichbleibendem Wareneinsatz.
  • Forderungen wachsen schneller als der Umsatz.
  • Überfällige Rechnungen und Mahnungen häufen sich.
  • Lieferanten liefern nur noch gegen Vorkasse, Nachnahme oder Sicherheiten.
  • Wechsel werden zur Zahlungsstreckung genutzt.

b) Auffälliges Geschäftsverhalten:

    • Neue Aufträge werden trotz offener Altlasten vergeben.
    • Abnahmeverpflichtungen bei Werkverträgen werden verzögert.
    • Geschäftsverbindungen (z. B. Bankverbindung) werden kurzfristig geändert.
    • Der Geschäftspartner wechselt die Gesellschaftsform (z. B. zu UG, Ltd.).
    • Der Betriebssitz wird verlegt, Niederlassungen geschlossen.
    • Mitarbeiter werden entlassen oder der Betrieb spürbar verkleinert.

    c) Lieferantenbeziehung & Vertragsstörungen:

      • Lieferkonditionen werden einseitig geändert oder Verträge gekündigt.
      • Qualität der gelieferten Ware nimmt ab.
      • Skonti werden nicht mehr gewährt, obwohl bisher üblich.

      5. Wer ist antragspflichtig?

      Der Eröffnungsantrag auf ein Insolvenzverfahren im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss nach § 15a InsO von den Mitgliedern des Vertretungsorgans juristischer Personen (z. B. GmbH, AG, eG), also z. B. Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG gestellt werden. Bei Personengesellschaften mit haftungsbeschränkten Gesellschaftern (z. B. GmbH & Co. KG) trifft die Pflicht ebenfalls die zur Vertretung berufenen Personen der Komplementär-GmbH.

      Sehr relevant ist hierbei das Urteil des Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27.02.2025, 5 StR 287/24 LG Leipzig), welches unterstreicht, dass Personen, die im Hintergrund die Geschäfte eines Unternehmens führen, auch ohne formelle Bestellung als Geschäftsführer strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Insbesondere bei Konstruktionen, die darauf abzielen, die Insolvenzantragspflicht zu umgehen, indem wirtschaftlich unerfahrene Strohmänner eingesetzt werden, kann eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott vorliegen.

      Für Unternehmer und Berater bedeutet dies, dass die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung entscheidend für die strafrechtliche Bewertung ist, nicht nur die formelle Position. Es ist daher unerlässlich, die rechtlichen Pflichten ernst zu nehmen und bei Anzeichen einer wirtschaftlichen Schieflage rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen.

      Die Antragspflicht trifft somit auch sogenannte faktische Geschäftsführer, wenn sie die Geschäfte tatsächlich führen. Es kommt insofern auf die maßgeblicher Entscheidungsmacht an, auch ohne formelle Bestellung.

      6. Firmenbestattungen & Scheinunternehmen

      Im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen und drohender Zahlungsunfähigkeit tritt häufig das Phänomen sogenannter Firmenbestattungen auf. Dabei werden wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen auf Dritte – häufig ausländische Gesellschaften oder wirtschaftlich unerfahrene Personen – übertragen. Ziel dieser Maßnahmen kann die Vermeidung der gesetzlich vorgeschriebenen Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO sein.

      Was ist eine Firmenbestattung?

      Unter einer Firmenbestattung versteht man in der Regel die Übergabe einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Firma an Dritte, ohne dass diese tatsächlich eine Fortführung beabsichtigen. Charakteristische Merkmale solcher Vorgänge sind:

      • Verkauf an ausländische Unternehmen
      • Einsetzung von Personen ohne unternehmerische Erfahrung.
      • Auflösung von Bankverbindungen und Leerräumung von Konten.
      • Buchhalterische Auffälligkeiten wie Scheinrechnungen oder fehlende Dokumentation.
      • Verlagerung des Geschäftssitzes oder vollständige Geschäftsaufgabe.

      Die Rolle von Scheinunternehmen

      Scheinunternehmen (auch: Briefkastenfirmen) werden in diesem Kontext gezielt eingesetzt, um Geschäftsvorgänge nur vorzutäuschen. Sie existieren zwar formell, verfügen jedoch weder über nennenswerte Substanz noch über operativen Geschäftsbetrieb. In Verbindung mit Firmenbestattungen können sie z. B. zur Rechnungsstellung ohne tatsächliche Leistung, zur Umleitung von Vermögenswerten oder zur Erschwerung der Gläubigerverfolgung genutzt werden.

      Indizien für ein Scheinunternehmen:

      • Kein eigenes Personal, keine Geschäftsräume
      • Unerreichbarkeit von Verantwortlichen
      • Wiederholte Änderungen von Sitz und Geschäftsführung
      • Keine erkennbare wirtschaftliche Aktivität

      Zusammenhang mit Insolvenzverschleppung

      Wird ein Unternehmen trotz Eintritts eines Insolvenzgrundes nicht rechtzeitig zur Insolvenz angemeldet, kann der Tatbestand der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) erfüllt sein. Firmenbestattungen und Scheinunternehmen können in diesem Zusammenhang als Mittel zur Umgehung der Insolvenzantragspflicht gewertet werden, was erhebliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Betroffene sollten frühzeitig fachkundige rechtliche Beratung in Anspruch nehmen.

      7. Vermeidung von Insolvenzverschleppung

      Sie haben eine Frage, die unbeantwortet geblieben ist? Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient nur der ersten Orientierung; ersetzt aber keine persönliche Beratung bei einem Rechtsanwalt. Lassen Sie sich frühzeitig von einem spezialisierten Anwalt im Bereich der Insolvenzverschleppung beraten, um Ihre Verteidigung und Rechtsschutzmöglichkeiten optimal anzugehen. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Erstberatung und erfahren Sie, wie wir Ihnen können, Ihre Rechte effektiv zu verteidigen.

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