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ANOM: Eine US-amerikanischer Honigtopf
auf litauischem Server vor deutschen Gerichten

ANOM war ein vom FBI kontrollierter Krypto-Messaging-Dienst, der über vermeintlich vor Überwachung geschützte Handys weltweit an Kriminelle verteilt wurde. Ziel war es von Anfang an, Kriminelle – vor allem aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, insbesondere des internationalen Drogenhandels – über die Geräte kommunizieren zu lassen und diese später mittels der Kommunikationsinhalte zu überführen. Nutzer glaubten, verschlüsselt kommunizieren zu können – tatsächlich lasen aber die US-Behörden von Beginn an alle Nachrichten mit. Dabei nutzten die US-Behörden gezielt einen Server in der Europäischen Union, konkret in Litauen, um Verwertungsverbote nach US-Recht zu umgehen.

ANOM unterschied sich dabei grundlegend von den bekannten Krypto-Messaging-Diensten EncroChat und SkyECC. Hierbei handelte es sich tatsächlich um verschlüsselte Dienste, die zunächst vor staatlichen Zugriffen geschützt waren. Erst über Hacks bzw. Infiltration gelang europäischen Ermittlern der Zugriff auf die Systeme und darin befindliche Inhalte. Die bisherige Rechtsprechung zu EncroChat und SkyECC sowie der Umgang mit diesen Daten lässt sich daher auch nicht ohne Weiteres auf den Umgang mit ANOM-Daten übertragen, die auf gänzlich anderem Wege gewonnen wurden. Zudem wurden sie nicht von EU-Staaten, sondern aus den USA nach Deutschland übermittelt.

Die Rechtsprechung in Deutschland sieht die aus ANOM gewonnen Daten allerdings grundsätzlich als verwertbar an – solange keine eindeutigen Hinweise dafür vorliegen, dass die Daten im Ausland unter Verletzung rechtsstaatlicher Mindeststandards erlangt worden sind. So entschied höchstrichterlich der BGH mit Beschluss vom 1. Januar 2025 (Az. 1 StR 54/24), dass die Daten in Verfahren wegen des Verdachts des Betäubungsmittelhandels verwendet werden dürfen. Diese Auffassung hat auch das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 23. September 2025 (Az. 2 BvR 625/25) bestätigt.

Allerdings deuten jüngere Enthüllungen darauf hin, dass litauische Richter gezielt durch die US-Behörden getäuscht worden sind. Wenn der für die Überwachungsmaßnahme erforderliche richterliche Beschluss so erlangt worden ist, ist die Datenerhebung offensichtlich in rechtsstaatswidriger Weise erfolgt. Aktuell liegen der Hamburger Staatsanwaltschaft – und auch uns in verschiedenen Akten betreffend den Vorwurf des Drogenhandels – die ersten ANOM-Datensätze vor; die Auswertung der erlangten Chatprotokolle und zugehöriger Meta-Daten dauert an.

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