Weitere Verschärfung des Rechts der Vermögensabschöpfung?
Im Einziehungsrecht gilt das sog. Bruttoprinzip. Abzuschöpfen ist demnach der gesamte (hypothetische) Deliktsgewinn – ohne, dass etwa die Anschaffungskosten oder eigenen Aufwendungen abgezogen werden würden. Wird jemand wegen BtM-Delikten, bspw. dem Verkauf von Drogen verurteilt, wird die Einziehung in Höhe des Wertes der gesamten, ihm zuzurechnenden Verkaufsmengen angeordnet. Dass für den Ankauf der Drogen auch Geld aufgewendet werden musste, bleibt unberücksichtigt. Für verurteilte Personen hat eine Einziehungsentscheidung aufgrund immenser Einziehungssummen – jedenfalls mit Blick auf ihre mittel-/ langfristige Zukunft – nicht selten einschneidendere Folgen, als die Verurteilung selbst. In Hamburg ist der „Erfolg“ der Strafverfolgung gemessen an den Einziehungssummen auch immer mal Gegenstand des politischen Interesses.
Aktuell wurde und wird im Bundestag ein Antrag mit dem Titel „Kriminell erlangte Vermögen konsequent abschöpfen – Vermögensermittlungs- und Einziehungsverfahren außerhalb des Strafrechts schaffen“ beraten. Dabei soll es um eine „drängende Verbesserung der Ermittlungskompetenzen bei verdächtigen Vermögensgegenständen und Vermögen ungeklärter Herkunft sowie zur Verbesserung der staatlichen Einziehungsmöglichkeiten“ gehen. Dem Antrag nach soll – neben vielen anderen aus unserer Sicht rechtsstaatlich fragwürdigen Ansinnen – eine eindeutige Regelung geschaffen werden, wonach bei solchen Vermögensgegenständen und Vermögen „bereits unterhalb der Schwelle eines strafrechtlichen Anfangsverdachts“ (in dem Entwurf auf S. 3 unter II./1./lit. b) Ermittlungen durchgeführt werden dürfen. Außerdem sollen diese bei Anhaltspunkten, dass sie dem Verfahren entzogen werden könnten, sichergestellt werden können (dort unter II./1./lit. e).
Für einen Anfangsverdacht i.S.v. § 152 StPO – der also nach dem Legalitätsprinzip einen Verfolgungszwang der Strafverfolgungsbehörden auslöst – ist bekanntlich bei „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten“ für eine Straftat anzunehmen. Auch hier besteht ohnehin ein Beurteilungsspielraum, insbesondere wann Anhaltspunkte „zureichend“ sind. Dass dies nach den aktuellen Reformbestrebungen der Union nun noch weiter aufgeweicht werden soll, indem scheinbar nicht zureichende / genügende / hinlängliche, sondern einfach irgendwelche Anhaltspunkte schon ausreichen sollen, um Ermittlungen durchzuführen, ist schon mit Blick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot offensichtlich fragwürdig.
Hinzukommt, dass (Mit-)Auslöser für Ermittlungen und Sicherstellungen nach dem diskutierten Antrag sein soll, dass die Vermögensgegenstände selbst „verdächtig“ oder „ungeklärter Herkunft“ sind. Damit soll der Staat nicht mehr ausgehend von einer Straftat oder der einer Straftat verdächtigten Person – die durch oder für eine rechtswidrige Tat etwas erlangt hat, wie es § 73 StGB derzeit vorsieht – sondern ausgehend von einem Vermögensgegenstand selbst tätig werden können. Das wirft schon rechtspraktisch zahlreiche Fragen auf: Wann ist die Villa am Starnberger See oder die Yacht im Ostseehafen dann nicht per se „verdächtig“? Wie soll in Hamburg weiterhin mit (teurem) Auto zum Einkaufen am Jungfernstieg gefahren werden können – nur mit Kaufbelegen und Herkunftsnachweisen im Handschuhfach? Usw.